Die neue Bayerische Bauordnung 2008
Vor 45 Jahren, am 1. Oktober 1962 ist die erste landesweit geltende Bayerische Bauordnung in Kraft getreten. Die Bayerische Bauordnung (BayBO) regelt als bayerisches Landesgesetz, was bei der Bauausführung zu beachten ist. Sie ist in den vergangenen 13 Jahren in zwei Reformschritten (1994 und 1998) tiefgreifend dereguliert worden.
Die Bayerische Staatsregierung setzt den 1994 und 1998 eingeschlagenen Weg der Deregulierung mit der BayBO 2008 weiter fort. Inhalt der Reformschritte war ein möglichst weitgehender Verzicht auf bauaufsichtliche Genehmigungsverfahren, der Rückbau bauaufsichtlicher Prüfverfahren unter Stärkung privater Eigenverantwortlichkeit und eine Straffung und Vereinfachung der materiell-rechtlichen Anforderungen.
Im Dezember 1999 beschloss die Bauministerkonferenz auf Grund bayerischer Landtagsinitiative eine Überarbeitung der Musterbauordnung (MBO), die unter bayerischer Federführung durchgeführt und im November 2002 mit einem einstimmigen Beschluss der Bauministerkonferenz verabschiedet wurde.
Am 18. Juli 2007 hat der Bayerische Landtag die Novelle der BayBO beschlossen, die wesentliche Elemente der MBO 2002 nun auch in Bayern umsetzt und somit weitreichende Konsequenzen für Bauherren hat:
Verfahrensfreie Vorhaben nach Art. 57
- Terassenüberdachungen mit einer Fläche bis zu 30 m² und einer Tiefe bis zu 3 m
(Nr. 1 g) - Mauern und Einfriedungen bis 2 m Höhe, außer im Außenbereich (Nr. 6 a);
(Achtung: Ortsvorschriften beachten) - Beseitigung baulicher Anlagen, Art. 57 Abs. 5 -ausgenommen: nicht denkmalgeschützte Gebäude- (Gebäudeklasse 1 und 3)
Anmerkung:
Verfahrensfreiheit entbindet nicht von der Einhaltung sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften.
Genehmigungsfreistellungsverfahren nach Art. 58
- Anwendungsbereich wird bis zur Sonderbautengrenze ausgedehnt
- umfasst damit zukünftig auch kleinere und mittlere Gewerbe
- Ermächtigung für Gemeinden, durch örtliche Bauvorschriften die Genehmigungsfreistellung für bestimmte handwerkliche und gewerbliche Bauvorhaben auszuschließen (z.B. in der Satzung zum Bebauungsplan)
Vereinfachtes Genehmigungsverfahren Art. 59
anzuwenden wie bisher auf alle Vorhaben bis zur Sonderbautengrenze
Grundlegende Neukonzeption durch Beschränkung des Prüfprogramms:
- Bauplanungsrecht (wegen des Rücksichtnahmegebotes/§ 15 Baunutzungsverordnung (BauNVO) und § 35 III S. 1 Nr. 3 Baugesetzbuch (BauGB) einschließlich der Anforderungen des materiellen Immissionsschutzrechts ständige Rechtsprechung)
- örtliche Bauvorschriften
- ggf. Fachrecht
- Abweichungen (ausdrücklich beantragen und begründen)
Nicht mehr:
- Stellplatzanforderungen, Baugestaltung, Abstandsflächen, baulicher Arbeitsschutz
Herkömmliches Genehmigungsverfahren nach Art. 60
für Sonderbauten im Sinne des Art. 2 Abs. 4,
z.B.
- Hochhäuser (mehr als 22 m)
- Gebäude mit mehr als 1.600 m² Fläche, nicht bei Wohngebäuden und Garagen
- Verkaufsstätten über 800 m² Brutto-Grundfläche nach DIN 277
- Gebäude mit Räumen, die einer Büro- oder Verwaltungsnutzung dienen und einzeln mehr als 400 m² haben
- Spielhallen mit mehr als 150 m² Bruttogeschossfläche (BGF)
- Gaststätten mit mehr als 40 Gastplätzen (bisher 60)
- Hotels mit mehr als 12 Betten (bisher 30)
Einteilung in Gebäudeklassen, Art. 2 Abs. 3:
Statt der früheren Einteilung in Vorhaben geringer und mittlerer Schwierigkeit:
- Die Einteilung in Gebäudeklassen erfolgt allein aufgrund der Höhe und der Fläche, sowie der Anzahl der Nutzungseinheiten, nicht deren Nutzungsart.
- Die Einstufung bestimmt die materiellen Anforderungen an Wände, Decken, Dächer, Rettungswege und die bautechnischen Nachweise.
- In die Gebäudeklasse 1 und 2 fallen die normalen Ein- und Zweifamilienhäuser, mit dem einzigen Unterschied, dass die Häuser in der Gebäudeklasse 2 nicht freistehend sind.
- In die Gebäudeklasse 3 fallen die üblichen Mehrfamilienhäuser mit drei Wohneinheiten und mehr, mit einer maximalen Höhe des obersten Fussbodens mit 7 m und ohne Beschränkung der Größe der Nutzungseinheiten.
Neues Brandschutzkonzept
(führt zu Erleichterungen und ermöglicht -unter bestimmten Rahmenbedingungen- den Einsatz der Holzbauweise bei bis zu fünfgeschossigen Gebäuden)
Optionsmöglichkeit für die Kommunen im Abstandsflächenrecht
Lange Zeit waren die Abstandsflächen, die ein Bauherr zum Nachbargrundstück einhalten muss, Thema der neuen BayBO. Welche Regelungen gelten nun ab dem 1. Januar 2008?
Hier konnte sich der Referentenentwurf nicht durchsetzen. Im Entwurf war noch vorgesehen, dass die Abstandsflächen grundsätzlich auf 0,4 H, also vier Zehntel der Gebäudehöhe, zurückgeschnitten werden. Aufgrund massiven Widerstands aus einigen Kommunen -insbesondere der Landeshauptstadt München- bleibt es aber nun grundsätzlich bei der bisherigen Regelung, einschließlich des 16-m-Privileges.
Gemäß Art. 6 Abs. 7 können die Gemeinden für ihr Gemeindegebiet insgesamt oder für Teile ihres Gemeindegebietes durch Satzung die Tiefe der Abstandsfläche auf 0,4 H, mindestens 3 m reduzieren (in Gewerbe- und Industriegebieten 0,2 H, mindestens 3 m) und bestimmen, dass Dächer mit weniger als 70 Grad zu einem Drittel, mit mehr als 70 Grad voll hinzugerechnet werden.
Neu ist,
- dass Nebenanlagen und vor allem Garagen sowohl in den Abstandsflächen des Hauptgebäudes wie ohne eigene Abstandsflächen zulässig sind,
- dass diese nicht direkt an die Grundstücksgrenze gebaut werden müssen,
- dass die Gesamtlänge je Grundstücksgrenze 9 m (bisher 8 m) betragen darf, wobei aber die Gesamtlänge 15 m nicht überschreiten darf,
- der Verzicht auf die bisherige 50-m²-Regelung.
Verminderung der Anforderungen an Aufenthaltsräume und Wohnungen
(z.B. Nordwohnungen zulässig, keine Anforderungen mehr an lichte Raumhöhen bei Wohnungen)
Gleichstellung von Stellplätzen und ihrer Ablösung
Neu ist:
- Die Stellplatzbeschränkungssatzung beschränkt und befreit damit von den Stellplätzen im Übrigen. Für diese kann somit keine Ablöse mehr verlangt werden.
Trotz aller Erleichterungen für den bauwilligen Bürger verlangt die BayBO 2008 vom Bauherrn und den von ihm am Bau Beteiligten, dass sie sich ihrer Verantwortung stellen.
Das Bauen ist insoweit komplizierter geworden. Der Bauherr muss sich nunmehr umfassend beraten lassen, weil er andernfalls in die Haftung geraten kann.
Wo der Staat sich zurückzieht, wo es weniger Genehmigungsverfahren gibt und in den verbleibenden Genehmigungsverfahren weniger geprüft wird, muss der Einzelne selbst verstärkt darauf achten, dass er sich an das für sein Bauvorhaben geltende Recht hält. Wo die Bauaufsichtsbehörde nicht mehr koordiniert, muss der Bauherr selbst mehr als zuvor um die Pflege auch des nachbarschaftlichen Umfelds bemüht sein. Weniger Staat heißt nicht schlichte Beliebigkeit, sondern mehr Freiheit bedeutet auch mehr Verantwortung. Eine Bauordnung, die -wie die BayBO 2008 nochmals verstärkt- auf die Eigenverantwortung der am Bau Beteiligten setzt, kann nur funktionieren, wenn dabei alle mithelfen - Bauherrn und Entwurfsverfasser, Gemeinden und Bauaufsichtsbehörden.
Die „neue“ Bayerische Bauordnung tritt am 1. Januar 2008 in Kraft.
Autor
Erika Schindecker
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