Bayerisches Behindertengleichstellungsgesetz
Belange behinderter Menschen beim Wohnungsbau und in öffentlich zugänglichen Gebäuden neu definiert
Seit 1. August 2003 ist das Bayerische Behindertengleichstellungsgesetz (BayBGG) mit Änderungsgesetzen in Kraft. Ziel des Gesetzes ist es, unter anderem die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Dies bedeutet auch, dass die Belange behinderter Menschen beim Wohnungsbau und in öffentlich zugänglichen Gebäuden neu definiert werden müssen.
Der Gesetzgeber hat darauf abgestellt, dass vorrangig einzelne Wohnungen entstehen, die behindertengerecht ausgebaut werden und somit einem Teil der Betroffenen den Verbleib (gegebenenfalls mit einer Hilfsperson) in den Wohnungen sichern, wobei die Wohnungen nicht rollstuhlgerecht sein müssen. Die Bauherren, Hauseigentümer und die Planer sollten auch bei der Errichtung von Stellplätzen an eine behindertengerechte Ausführung denken, die jedoch freiwillig sein kann - die Landeshauptstadt München stellt hier keine Anforderungen. Der Gesetzestext beinhaltet keine Anforderung an Bewegungsflächen für Rollstühle, Unterfahrbarkeiten etc.
Bayerische Bauordnung
Mit den Änderungsgesetzen hat der Landesgesetzgeber zugleich die entsprechenden Vorschriften anderer Gesetze geändert, darunter auch Art. 46 und 51 der Bayerischen Bauordnung (BayBO).
Artikel 46 BayBO
Ab sofort müssen bei Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar und die wesentlichen Räume davon mit dem Rollstuhl zugänglich sein. Die Wohnungen müssen nicht zwingend im Erdgeschoss liegen, wenn sie mit einem Aufzug barrierefrei erreichbar sind. Damit die barrierefreie Erreichbarkeit der Wohnungen sichergestellt ist, müssen dabei auch entsprechende bauliche Vorkehrungen für die barrierefreie Zugänglichkeit auf dem Grundstück getroffen werden, wie z. B. erforderliche stufenlose Bewegungsflächen und ggf. Rampen.
Artikel 46 BayBO wird wie folgt geändert:
Es wird folgender Absatz 2 eingefügt:
"(2) 1 In Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen müssen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar sein. 2 In diesen Wohnungen müssen die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad und die Küche oder Kochnische sowie der Raum mit Anschlussmöglichkeit für eine Waschmaschine mit dem Rollstuhl zugänglich sein.
3 Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit die Anforderungen, insbesondere wegen schwieriger Geländeverhältnisse, wegen des Einbaus eines sonst nicht erforderlichen Aufzugs oder wegen ungünstiger vorhandener Bebauung, nur mit unverhältnismäßigem Mehraufwand erfüllt werden können."
Die bisherigen Absätze 2 bis 5 werden Absätze 3 bis 6.
Artikel 51 BayBO
Artikel 51 BayBO betrifft öffentlich zugängliche Gebäude wie Verkaufsstätten, Verwaltungsgebäude, Tagesstätten für Kinder etc. Danach sind die öffentlich zugänglichen Bereiche in diesen Gebäuden barrierefrei zu errichten. Höhere Anforderungen als bisher werden zum Beispiel bei Verkaufsstätten gestellt, die jetzt unabhängig von ihrer Größe die Anforderungen erfüllen müssen.
Artikel 51 BayBO wird wie folgt geändert:
die Überschrift erhält folgende Fassung: "Barrierefreies Bauen"
Absatz 1 erhält folgende Fassung:
"(1) 1 Bauliche Anlagen und andere Anlagen und Einrichtungen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucherverkehr dienenden Teilen so errichtet und instand gehalten werden, dass sie von Menschen mit Behinderung, alten Menschen und Personen mit Kleinkindern barrierefrei erreicht und ohne fremde Hilfe zweckentsprechend genutzt werden können.
2 Diese Anforderungen gelten insbesondere für
- Einrichtungen der Kultur und des Bildungswesens,
- Tageseinrichtungen für Kinder,
- Sport- und Freizeitstätten,
- Einrichtungen des Gesundheitswesens,
- Büro-, Verwaltungs- und Gerichtsgebäude,
- Verkaufsstätten,
- Stellplätze, Garagen und Toilettenanlagen
3 Sie gelten nicht bei Nutzungsänderungen, wenn die Anforderungen nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erfüllt werden können.
4 Die Anforderungen an Gaststätten sind im Rahmen der gaststättenrechtlichen Erlaubnis zu beachten."
In Absatz 2 wird das Wort: "Behinderten" durch die Worte "Menschen mit Behinderung" ersetzt und die Worte "3. Tageseinrichtungen für Kinder", gestrichen.
Absatz 4 erhält folgende Fassung:
"(4) 1 Bauliche Anlagen und andere Anlagen nach den Absätzen 1 und 2 müssen durch einen Eingang mit einer lichten Durchgangsbreite von mindestens 0,90 m stufenlos erreichbar sein.
2 Vor Türen muss eine ausreichend Bewegungsfläche vorhanden sein.
3 Rampen dürfen nicht mehr als 6 v.H. geneigt sein; sie müssen mindestens 1,20 m breit sein und beidseitig einen festen und griffsicheren Handlauf haben.
4 Am Anfang und am Ende jeder Rampe ist ein Podest, alle 6 m ein Zwischenpodest anzuordnen.
5 Die Podeste müssen eine Länge von mindestens 1,50 m haben.
6 Treppen müssen an beiden Seiten griffsichere Handläufe erhalten, die über Treppenabsätze und Fensteröffnungen sowie über die letzte Stufe zu führen sind.
7 Die Treppen müssen Setzstufen haben.
8 Flure müssen mindestens 1,50 m breit sein.
9 Ein Toilettenraum muss auch für Benutzer von Rollstühlen geeignet und erreichbar sein; er ist zu kennzeichnen.
10 Art. 39 Abs. 6 gilt auch für Gebäude mit weniger als sechs Vollgeschossen, soweit Geschosse für Menschen mit Rollstühlen stufenlos erreichbar sein müssen."
Es wird folgender Absatz 5 angefügt:
"(5) Die Absätze 1, 2 und 4 gelten nicht, soweit die Anforderungen wegen schwieriger Geländeverhältnisse, ungünstiger vorhandener Bebauung oder im Hinblick auf die Sicherheit von Menschen mit Behinderung oder alten Menschen nur mit einem unverhältnismäßigen Mehraufwand erfüllt werden können."
Bei Vorhaben, für die nach der Bayerischen Bauordnung das vereinfachte Genehmigungsverfahren anzuwenden ist, werden zwar aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen die betroffenen Artikel im Verfahren nicht durch die Behörde geprüft, sie sind aber dennoch vom Bauherrn zu beachten. Im Zuge der Bauüberwachung können ansonsten die rechtlichen Anforderungen von der Baubehörde durchgesetzt werden.
Besonders wichtig für Bauherren sowie deren Planer und Planerinnen ist die Tatsache, dass in dem Gesetz keine Übergangsvorschriften vorgesehen sind. Das bedeutet, dass ab sofort bei allen betroffenen Vorhaben die geänderten Vorschriften zu beachten sind. Bei laufenden Genehmigungsverfahren entscheidet die Rechtslage zum Zeitpunkt der Ausstellung des Bescheides. Für Baugenehmigungen für Sonderbauvorhaben, die vor dem 1. August 2003 erteilt wurden, besteht Bestandsschutz.
Für Baugenehmigungen, die im vereinfachten oder Freistellungsverfahren vor dem 1. August 2003 erteilt wurden, besteht kein Bestandsschutz; dies bedeutet für den Bauherrn, dass mit Baubeginn nach dem 1. August 2003 das BayBGG anzuwenden ist und die Baugenehmigung tektiert werden muss.
Die Anforderungen des BayBGG springen nicht an (=Regelabweichung), wenn bestimmte Sachverhalte eintreten (z. B. schwierige Geländeverhältnisse, extrem hoher Mehraufwand etc.). Die Oberste Baubehörde gewährt hier bei bereits abgeschlossenen Planungen den Bauaufsichtsbehörden einen gewissen Ermessungsspielraum.
Denkmalschutzgesetz
Ebenso geändert wird § 6 des Denkmalschutzgesetzes: Dem Artikel 5 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler - Denkmalschutzgesetz DSchG - (BayRS 2242-I-WFK), zuletzt geändert durch § 43 des Gesetzes vom 24.4.2001 (GVBI S. 140), wird folgender Absatz 4 angefügt:
"(4) Bei Entscheidungen nach den Abs. 1 bis 3 sind auch die Belange von Menschen mit Behinderung und von Menschen mit sonstigen Mobilitätsbeeinträchtigungen zu berücksichtigen."
Laut Genehmigungsbehörden soll der angefügte Absatz in den Verfahren wohlwollend umgesetzt werden. Es ist daher zu empfehlen, dass sich die Verantwortlichen rechtzeitig vor Baubeginn mit den Anforderungen auseinandersetzen und den Ermessensspielraum mit der Behörde abstimmen, um später teure Umplanungen zu vermeiden.
Autor
Erika Schindecker
Gesellschaft für Organisation, Vorbereitung und
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